Welgedacht & Kevin Richardson – Wildes Südafrika

WelgedachtWelgedacht

Wer nach Südafrika fliegt hat eine Station meistens schon vor dem eingentlichen Flug gebucht und vermutlich aus gutem Grund: Der Krüger Nationalpark gehört zu den größten und aufregendsten Nationalparks in ganz Afrika. Hier kannst du sie wahrscheinlich alle sehen, die Big Five: Tausende Elefanten, Impalas, Nashörner Löwen und Hyänen, Leoparden und Krokodile. Giraffen, Kudus und Zebras wirst du hier vermutlich täglich zu Gesicht bekommen und das nicht zuletzt wegen der vielen exzellent ausgebildeten guides welche dich durch den Busch führen.

Aber Moment: Wieso schreibe ich denn dauernd im Konjunktiv? Ich war doch monatelang in Südafrika und bin doch dort auch viel gereist und… ich war nie im Krüger Nationalpark. Ich wollte nicht dorthin und vielleicht werde ich niemals dort sein. Sorry to disappoint!

Welgedacht – Die Alternative zum Krüger Nationalpark

Als ich mich im Juni 2014 entschied einen Road Trip durch Südafrika zu machen, von Johannesburg nach Kapstadt, stand der Krüger zu keinem Zeitpunkt auf der Liste der Sehenswürdigkeiten die ich gerne anschauen wollte. Stattdessen hatte ich einen anderen Ort auf meiner inneren bucket list an seine Stelle gesteckt und musste dafür ein paar Kilometer Umweg nach Norden in Kauf nehmen: Welgedacht

Als ich in Johanesburg lande und meinen Mietwagen in Empfang nehme zieht es mich schon regelrecht an und ich verbringe keine einzige Sekunde damit Johannesburg zu erkunden. Mein Weg führt mich schnurstracks in Richtung Norden, in die Region um Pretoria. Ich habe mich eine Nacht im Tranquility Spa eingemietet und geplant am nächsten Tag dann weiter zu meinem zweiten Stop zu fahren. Es sollte ganz anders kommen, aber dazu später mehr.

Ich verfahre mich erstmal gehörig und lande auf irgendeiner Buckelpiste in’s Nirgendwo. Learning des Tages: Vertraue keinen GPS Koordinaten auf irgendwelchen Homepages. Glücklicherweise habe ich die Telefonnummer dabei und kann die Rezeption anrufen. Raymond, der Besitzer der Lodge sei gerade sowieso einkaufen und ich können ihn unter folgender Nummer auch direkt anrufen wird mir gesagt. Ich freue mich mehr und mehr eine lokale SIM Karte für Südafrika gekauft zu haben denn weder muss ich bei jeder Minute auf die Uhr schauen und mir Gedanken zu den Gebühren machen noch muss ich während der Fahrt auf Google Maps verzichten, denn Raymond nennt mir einfach den Namen des Supermarktes und der ist glücklicherweise einfach in der App zu finden. Wenige Minuten später schüttle ich Raymond die Hand und wir fahren gemeinsam zur Lodge.

Wir halten an einer Kreuzung, Raymond steigt aus und erklärt das es links zur Lodge geht und rechts in’s game reserve. Ich gehe davon aus, er sagt mir dies weil er nun noch weiter zum game reserve fährt und ich einfach nach links abbiegen muss. „Nein nein“, sagt er:“Ich wollte nur dein Gesicht sehen wenn ich dir den Löwen da neben dir im Gras zeige!“
Ich drehe mich um und keine 50cm von mir liegt – hinter einem Zaun – ein Waschechter Löwe und lässt sich die Sonne auf den Bauch scheinen. Ich merke mir diese Stelle und einige Tage später sollte ich mich noch sehr darüber freuen…

Frühstück mit Giraffe

Die Lodge besteht aus mehreren kleinen Bungalows die in einem Halbkreis angeordnet sind und hinter denen sich die Ställe mit ein paar Pferden befinden. Auf der einen Seite sind die Bungalows für Besucher und auf der Anderen befindet sich das Haupthaus in dem Abends gegessen und zusammen gesessen werden kann. Morgens wird hier das Frühstück serviert und wem im Sommer zu heiß wird kann hier einen Sprung in den kleinen Pool zur Erfrischung nutzen.

Welgedacht

Welgedacht

Pferde in Welgedacht

Pferde in Welgedacht

Üblicherweise frühstückt man hier Giraffe. Entschuldigung, mit Giraffe! Seit einiger Zeit haben sich nämlich eine Giraffenmutter und ihr Pfohlen die Wasserstelle neben dem Haupthaus zum Frühstücken ausgesucht und so hat man eine schöne Aussicht auf die kleine Famlilie während hinter den Langhälsen die Sonne aufgeht.

Nach dem Frühstück holt mich Jeff ab, der heute mein Guide ist und das ist auch schon einer der Gründe warum ich hier bin: Wer im Winter nach Welgedacht kommt wird nicht allein sein aber auch weit davon entfernt was man ‚gut besucht‘ nennen könnte. Ich mag das, ich genieße es wenn ich mir einen Ort ohne große Tamtam anschauen und einfach genießen kann. Ich bin heute also mit Jeff und noch genau zwei weiteren Menschen im Busch unterwegs. Wir haben das ganze Areal für uns und Jeff kann sich jede Menge Zeit nehmen.

Giraffe

Giraffe

Giraffenzunge

Giraffenzunge

Er sieht Tiere auf Meilen die mir selbst wenige Meter vor der Nase verborgen bleiben und während wir anhalten und er uns von ihnen erzählt schweifen seine Augen immer über den Boden neben dem Wagen. Immer ist er auf der Lauer und immer ist er aufmerksam ohne dabei auch nur die geringste Form von aufgeregtheit zu zeigen. Jeff ist aus Johannesburg und macht derzeit seine Ausbildung zum Park ranger hier.

Lion whisperer: Kevin Richardsons wildlife sanctuary

Sein liebster Teil des Jobs wäre die Arbeit mit Kevin sagt er und obwohl ich noch immer davon ausgehe meilenweit davon entfernt zu sein weiß ich sofort wovon er spricht: Kevin Richardson. Der Lion Whisperer.

Wann immer ich Menschen von Kevin Richardson erzähle, haben sie keine Ahnung wovon ich rede bis einer in der Gruppe fragt:“Moment, ist das der Typ mit den Löwen auf Youtube.“ Ja, genau der ist das:

Na, schonmal gesehen? Top, dann wissen wir ja jetzt wovon wir reden.

Jeff erklärt mir, dass Kevin’s Löwen nur ein paar Kilometer von hier leben und das Sanctuary zu Welgedacht gehört. Bis jetzt war ich fest davon ausgegangen am nächsten Tag noch viele Kilometer nach Süden fahren zu müssen um dorthin zu gelangen doch nun gibt es eine Planänderung: Wir schauen uns heute noch Meg und ihre Kameraden an.

Meg die Löwin

Meg die Löwin

Lustige Träume in Welgedacht

Lustige Träume in Welgedacht

Leider ist Kevin an diesem Tag selbst nicht im Reservat und auch wenn Jeff die Käfige nicht betritt weiß er doch alles was es über die Tiere von Kevin zu wissen gibt. Zum Beispiel, dass bei den Hyänen die Rangfolge von den Damen abwärts führt, also das am höchsten stehende Männchen immer nich unter dem am tiefsten stehenden Weibchen rangiert. Ganz im Gegensatz zu den Löwen also.  In anderen Käfigen ist außerdem Platz für Leoparen und eben die Löwen. Zwei Rudel sind zu diesem Zeitpunkt vor Ort. Sie müssen getrennt voneinander gehalten werden weil es sonst zu Reibereien kommt.

Löwe mit Schlafzimmerblick

Löwe mit Schlafzimmerblick

„Wenn sie so ruhig da liegen möchte man einfach rein gehen, den Kopf auf ihren Bauch legen und ein Nickerchen halten.“, sagt Jeff mit ruhiger und bewundernder Stimme. „Aber dann würden sie einen halt auffressen. Nur Kevin darf rein.“

Save lions, save habitat!

An diesem Nachmittag lerne ich viel über die afrikanische Tierwelt und vor allem über die Großkatzen. Kevin spricht auch auf seinem Youtube Kanal und generell wo immer er kann das an, was den Löwen in Afrika und all diesen majestätischen Tieren überall sonst auf der Welt zu schaffen macht: Wir nehmen den Tieren den Lebensraum weg! Wir dringen schamlos und unaufhaltsam in ihre Heimat ein und nur dadurch kommt es überhaupt zur Konfrontation zwischen Menschen und Raubtieren.

Müde

Müde

Die Frisur sitzt

Die Frisur sitzt

You were sexy until I saw you pet a lion cub…

Wenn ich heute Fotos von Freunden sehe, auf denen sie mit einem Tiger kuscheln oder ein Löwenbaby streicheln möchte ich am liebsten sofort darunter kommentieren wie schlimm das ist und noch die eine oder andere böse Beschimpfung vielleicht. Ich halte mich aber immer zurück, denn ich möchte niemand seine Urlaubserinnerungen vermiesen. Jeff findet andere Worte.

Wenn jemand in Afrika ein Löwenbaby streichelt heißt das in den meisten Fällen, dass dieses 10 bis 12 Monate von einem reichen touristen in einem Gehege erschossen und danach Fotos mit dem Stiefel des ‚Jägers‘ auf dem Kopf seiner ‚Beute‘ gemacht werden. Canned hunting heißt dieses bizarre Schauspiel und es ist die Schattenseite der Medaille dieses Landes für die schönsten Raubtiere der Erde. Löwenkinder die regelmäßig mit Menschen interagieren können später nur schwer ausgewildert werden und Tiger die es erlauben, dass sich wildfremde Menschen mit dem Kopf auf ihren Bauch legen oder sie hinter den Ohren streicheln sind so mit Drogen vollgestopft, dass du genausogut ein Stofftier begrapschen könntest.

Auch wenn es dir schwer fällt: Sage Nein wenn dir jemand anbietet ein wildes Tier zu berühren! Mach lieber ein Foto und sei Stolz nicht Teil des Problems zu sein!

Baghira war auch da...

Baghira war auch da…

Mein erster Ausritt mit Vogelstrauß, Warzenschwein und viel Blut…

Da mein nächster Tag nun frei ist, muss ich mir eine Alternative aussuchen und ich entscheide mich etwas neues auszuprobieren: Reiten.

Raymond’s Frau reitet seit Jahren professionell und ist Reitlehrerin für einige Kinder aus den umliegenden Lodges. Am Nachmittag setze ich mich also mit ihr, dem Stallburschen und der kleinen Sophie (13) aus dem Nachbardorf zum ersten Mal auf ein Pferd. Nein, nicht auf eins, wir hatten alle unser Eigenes!

Die drei müssen sofort erkannt haben was für ein hoffnungsloser Fall ich sein würde und beschlossen heute ausschließlich trabend durch die Gegend zu schleichen. Auch das würde nicht viel helfen,aber dazu später mehr. Wir verlassen das Gehege um die Lodge und folgen den Pfaden in den Busch. Nach einigen hundert Metern sehen wir die ersten Warzenschweine durch die Wiesen flitzen und in der Ferne können wir die Löwen brüllen hören. Jeden Abend wird der Sonnenuntergang von dem lautstarken Gebrüll begleitet. Als wir nach einer kleinen Abbiegung vor einem kleinen Team von Straußen stehen, halte ich mein Pferd an und schaue mich fragend um. Die anderen traben einfach weiter, also versuche ich es ihnen gleich zu tun. Zwischenzeitlich muss ich allerdings unwissenderweise den Rückwärtsgang eingelegt haben und mein Pferd lässt sich einfach nicht mehr dazu überreden einfach nach vorne zu gehen. Nachdem wir gemeinsam das technische Problem gelöst hatten ging es also zurück zur Lodge.

Sonnenuntergang in Afrika

Sonnenuntergang in Afrika

Mein Hintern tat weh, meine Beine auch und mein Pferd hatte sich entschlossen mich vor der Lodge nochmal kurz in einem Dornenbusch zu parken. Auf dei Frage wie ich mich angestellt hätte antwortet Sophie wohlwollend:“Ziemlich scheiße.“ Dankeschön!

Als ich absteige schauen die anderen Besucher mich an, als wäre ich ein Gespenst. Ob es mir gut gehe, fragt Eine und ein Anderer ob ich von etwas angefallen worden war. Nein, nein. Alles gut, glaube ich. Als ich an mir herunter schaue, verstehe ich schalgartig warum diese Fragen aus den offenen Mündern kommen: Mein T-Shirt ist von oben bis unten in Blut getränkt bis hinunter zu meiner Hose auf der ein weiterer riesiger Blutfleck ist. Ich gehe direkt in meinen Bungalow, wasche mir die Arme und entdecke irgendwann auch wo es mich erwischt hat: Ein Dorn muss meinen Unterarm der Länge nach aufgerissen und dabei eine Aterie erwischt haben. Es blutet zwar nicht mehr, aber das Loch ist noch gut zu erkennen.

Reiten ist übrigens Scheiße…

Brüll Löwe, brüll!

Am nächsten Tag steht die Weiterreise in Richtung Süden an. Ich fahre langsam die hügelige Straße entlang und erinnere mich an den Löwen vom ersten Tag. Ich halte kurz an, schaue mich um, sehe aber nichts. Dann vibriert der Boden und ich zucke zusammen. Ohrenbetäubender Lärm, irgendwo vor mir.

Brüll, Löwe... Brüll!

Brüll, Löwe… Brüll!

Dann Ruhe.

Ich schaue mich um, sehe immer noch nichts und entscheide mich auf dem Zaun vor mir zu steigen. Ich ziehe mich anden dicken Stämmen hinauf in einen Baum der neben dem Gatter steht und richte mich auf. Vielleicht 8-10m vor mir steht ein Löwe hinter einem Busch und schnauft angestrengt. Kurz. Dann, wenige Minuten nach der ersten Ansage brüllt er erneut los und es geht mir in Mark und Bein. Ich habe schon oft Löwen gesehen. Die traurigen Zeitgenossen im Zoo, die auf und ab renen und dabei mit leeren Augen in die Gegend starren.

Dieses Exemplar hat nichts von diesen traurigen, leeren Hüllen. Es fühlt sich an, als würde er seinen gesamten Körper dazu nutzen, einen Ruf wie ein Erdbeeben zu beginnen und als würde er jeden Kubikzentimeter Luft in seiner Lunge in sein Gebrüll pressen.

Ich verlasse diesen Ort, etwas schlauer und mit etwas mehr Respekt und mit einem Lächeln auf den Lippen.

2 Kommentare

  1. HI Marc, habe Deinen Artikel und das Video „verschlungen“. Ja, es ist etwas anderes, Löwen nicht hinter Gittern zu sehen. Und ja, man sollte alles Mögliche tun, um diese Tiere in ihrem Lebensraum in Ruhe zu lassen! Ganz Deiner Meinung. Toller Artikel…schöner Blog. Lg aus der Schweiz Petra

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